Nicht-Wissen

Seit Monaten tauchen immer wieder neue Facetten und Phasen eines großen Geschehens auf. Wo mag es uns noch hinbringen? Was werden wir noch verlieren und was könnten wir möglicherweise statt dessen erhalten? Wie können wir das Entstehende mitgestalten? Und - angesichts dessen, was vielleicht für immer verloren geht an Vertrautem, an Sicherheiten, an Kontrolle über die eigene Situation, an Identität und Idealen, an für selbstverständlich gehaltenen Bindungen und Freundschaften, an Lebensentwürfen und vorfreudig gehegten Plänen - was bleibt von dem, was wir zur Verfügung haben? Was bleibt wichtig, tragend und tragfähig? Was beschützt und unterstützt uns?

Von all den (nicht wenigen!) Antworten, die mir beim Abtasten solcher Fragen einfallen, ist mir am liebsten Folgendes: Ganz bewusst ein Nicht-Wissen und Nicht-Verstehen als innere Haltung einzunehmen. Mit voller Absicht das zu fokussieren, was ich nicht weiß und nicht verstehe, was ich nicht aufgrund von Bekanntem und einem vermeintlichen Vorwissen ein- und zuordnen kann - das erscheint mir in einer Wende- und Wechselzeit angemessen, spannend, stützend, schützend und noch vieles mehr. Dieses Nicht-Wissen bildet für mich einen großen Raum, in den alle Trauer um das, was verloren geht, hineinpasst und alle Freude an dem, was bleibt und was wird, alle Verzweiflung und Verwirrung um die seltsamen und schlimmen Vorgänge auf der Welt, die es im Großen und im Kleinen zu beobachten gibt. Dieser Raum trägt mich zudem auch jetzt schon in teils veränderte Aufgaben und dafür auch in manch neue Gemeinschaft, die sich für etwas zusammenfindet, von dem einiges schon greifbar ist und anderes noch nicht. Der Prozess scheint ja längst nicht abgeschlossen, wohl für niemanden von uns.

(Diese Gedanken schrieb ich Ende Juli 2020 auf, nun im Herbst erscheinen sie mir täglich relevanter und aktueller zu werden)

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